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     08.08.2002                  

Einer der schrecklichsten Tage meines Lebens. 

 
Unser Kind  und Daniels Bruder wird beerdigt.
 

Um 15.30 Uhr sollte die Beerdigung sein. Über eine Stunde vorher schon ging ich zusammen mit meinem Mann und Daniel zu Marcel. Ich stand neben seinem Sarg und konnte nicht glauben, dass Marcel, der doch über 17 Jahre tagtäglich um mich war, den ich mehr liebte als mein eigenes Leben, nun beerdigt wird und ich ihn NIE WIEDER auf dieser Erde sehen würde. Wie so oft in den letzten beiden Tagen stand ich neben ihm, streichelte ihm über sein Gesicht und versuchte, mir jede noch so kleine Einzelheit seines Gesichtes einzuprägen. Während der ganzen Stunde, die ich bei ihm war, lag meine linke Hand auf seinen gefalteten Händen. Ich würde diese Hände nie mehr berühren können. Als ich mit Jürgen alleine bei ihm war, sagte ich, dass ich Marcel unbedingt noch einen Kuß geben möchte, aber ich komme nicht richtig zu ihm hin. Jürgen hat mir einen Stuhl geholt, der in der Ecke stand, ich kniete drauf und habe Marcel ein letztes Mal geküsst. Er war so kalt.

Die Zeit verstrich so schnell, der Bestatter schaute alle paar Minuten rein, er wollte den Sarg schließen. Ein allerletzter Blick auf mein Kind, auf die beiden kleinen Kuscheltiere, die Daniel ihm reingelegt hatte, auf das Bild von uns vier und den langen Brief in dem Kuvert, den ich Marcel geschrieben hatte. Teilnahmslos ließ ich mich von Jürgen nach draußen führen. Als dann der Pfarrer mit seiner Rede begann, hoffte ich immer noch inständig, dieser grausame Albtraum möge spätestens jetzt zu Ende sein. Es konnte doch nicht wirklich wahr sein, dass wir unser Kind begraben mussten.

In dieser Zeit wollten wir das Geschehene nicht begreifen und nicht akzeptieren.
Heute müssen wir mit der Gewissheit leben, dass es tatsächlich so ist.


Über 500 Menschen haben sich in der Kondolenzliste eingetragen. Darunter so viele Personen, die wir nicht einmal mit dem Namen kennen.

Im Nachhinein hat man uns erzählt, dass der überwiegende Teil Jugendliche waren. Durch seine offene Art hatte Marcel solch einen großen Bekanntenkreis und es tut mir noch heute gut, dass so viele gekommen waren, um von ihm Abschied zu nehmen



Predigt

Liebe trauernde Eltern und Angehörige von Marcel, ihr, seine Freunde und Kameraden, liebe Trauergemeinde

Während in der nahen Natur die Lebensfülle und Reife des Sommers uns umgibt, stehen wir hier am Sarg eines noch so jungen Menschen, dessen Leben innerhalb von Sekunden an das Tor des Todes geleitet wurde. Wir tun uns schwer, dieses Geschehen zu begreifen und dafür Worte zu finden. Auch mir fällt es nicht leicht. Ich habe Marcel von Anfang seines Lebens an gekannt. Vor 17 Jahren habe ich ihn getauft, dann durfte ich ihn in der Grundschule unterrichten und zur Erstkommunion führen.

Anfang September wäre für ihn das erste Lehrjahr bei der Firma Argo in Menzingen erreicht und jetzt sollte Marcel drei schöne Urlaubswochen erleben dürfen. Er war ein junger, hoffnungsvoller Mensch, der in und mit der Familie, seinen Eltern und seinem Bruder, seinen Großeltern und Verwandten lebte, ein lebensfroher junger Mann, der mit seinen Arbeitskameraden und Freunden verbunden war.

Fassungslosigkeit, Schmerz und Trauer erfüllt Sie und uns alle hier. Sein Tod reißt  tiefe Wunden. Die Härte des Todes, der blühendes Leben zerstört und Menschen, die sich lieben, auseinanderreißt, kann kaum deutlicher werden als in dieser Stunde. Trauer und Traurigkeit hat Sie, liebe Eltern und Angehörige, und uns alle, die wir hier bei Ihnen sind, erfasst.

Trauer, das ist Schmerz und Ohnmacht, Leid und Einsamkeit, inneres Auflehnen und Angst, Dunkelheit und Hilflosigkeit, Klage und so unerbittliches Abschiednehmen müssen.

Und hinter allem die Frage: Warum ? Warum sterben ? Warum so früh wegmüssen, wenn das Leben – nach unserem menschlichen Maßstab – noch nicht gelebt ist ? Warum hergeben müssen, was so liebenswert und teuer ist ? Warum leiden müssen, wenn alles nach Glück und Freude ruft? Warum ?  -  Es ist niemand da, der zufriedenstellende Antwort geben könnte. Ich auch nicht ! Oder soll ich als Priester sagen, dieser frühe plötzliche Tod war Gottes Wille und es gehe nur darum, sich dem Willen Gottes zu beugen ?  Stellt sich dann nicht – und zwar mit Recht – die Frage:  Ist Gott so ? Ist er so grausam, dass er diesen Tod will ?, Nein, an einen solchen Gott kann ich nicht glauben und eben darum auch nicht, dass der Tod von Marcel sein Wille wäre. Dieser Satz ist viel zu missverständlich. Gott will nicht den Tod. Er ist kein Totengott, sondern ein Gott des Lebens. Sicher geschieht nichts, ohne dass Gott darum weiss. Er verhindert auch schwere Schicksalsschläge nicht, die unsäglich weh tun und Leiden zufügen. Das bleibt uns Menschen ein undurchdringliches Geheimnis.  Gott weiß um den Tod unseres Marcel. Aus seiner Hand konnte er nicht herausfallen und ist Marcel auch nicht herausgefallen. Er ist bei ihm, wo Jesus einen Platz für ihn und uns bereit hält. Darum dürfen wir auch glauben, dass es nach unserem Erdenleben ein Wiedersehen mit unseren lieben Verstorbenen geben wird, auch mit Marcel.

Gott ist und bleibt uns nahe. Er weiß um den Schmerz der Mutter, des Vaters und von Daniel, um den Schmerz der Großeltern und aller Angehörigen und Freunde. Vielleicht ein Wort, das vor über 2300 Jahren aufgeschrieben worden ist, ein Lichtschimmer in der Dunkelheit. Da bittet ein Mensch:“ Gott, fasse meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählst sie“. Der Mensch, der so gebetet hat, wusste, niemand kann mir meine Trauer, mein Leid abnehmen. Ich kann sie nicht von heute auf morgen und schon gar nicht aus eigener Kraft überwinden. Ich muss die Trauer und den Schmerz ertragen und durchleiden. Und Gott verlangt nicht von mir, dass ich meine Gefühle unterdrücke. Er geht auch nicht achtlos an meinem Schmerz vorüber. In dem Bibelwort von Gottes Handeln liegt Wahrheit und Zuversicht: Fasse meine Tränen in deinen Krug. Ohne Zweifel, du zählst sie. Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir so vertrauen und beten können, und Ihnen daraus Hilfe und Kraft geschenkt wird.

 



Ansprache (Herr Oser)

„Mitten im Leben sind wir mit dem Tod umfangen“

So heißt es in einem Lied, das im 14. Jahrhundert in Salzburg entstanden ist. Es soll gedichtet worden sein für eine Hochzeitsgesellschaft, die auf einer zusammenbrechenden Brücke über einen reißenden Gebirgsbach ums Leben kam.

So ereilte auch Marcel mitten im Leben der Tod. Und eine Festgesellschaft erlebt diesen tragischen Unfall mitten in der Hochstimmung dieses Festes mit.

So sind einige dieser Festgesellschaft zusammen mit der Wirtsfamilie hier, um Ihnen verehrte Angehörige, unser tiefes Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen.

Wir haben diesen schrecklichen Unfall hautnah miterlebt, uns um die Verletzten und besonders um Ihren lieben Marcel gekümmert. Bis die Rettungsdienste kamen - und sie waren in wenigen Minuten zur Stelle - haben sich viele Menschen um die Verletzten und Ihren Sohn gesorgt.

Da ich als Notfallseelsorger zufällig bei diesem Fest Gast war, habe ich mit einigen Frauen und Männern für den Verstorbenen gebetet und Kerzen als Zeichen unserer christlichen Auferstehungshoffnung entzündet.

Liebe Frau Weber, lieber Herr Weber, ich darf Ihnen noch einmal versichern, dass Ihr Sohn im Sterben und die Stunden danach nicht allein war. Immer wieder kamen Menschen hinzu – nicht aus Neugierde – sondern in tiefer Betroffenheit, hielten inne, vergossen eine Träne und beteten für die Seelenruhe von Marcel.

 

 
   
   
   
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